Pressemitteilung
Der hellste und der am schnellsten wachsende: Astronom*innen identifizieren rekordbrechenden Quasar
19. Februar 2024
Astronom*innen haben mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) einen hellen Quasar untersucht und festgestellt, dass er nicht nur der hellste seiner Art ist, sondern auch das leuchtkräftigste Objekt, das jemals beobachtet wurde. Quasare sind die hellen Kerne entfernter Galaxien und werden von supermassereichen schwarzen Löchern angetrieben. Das Schwarze Loch in diesem rekordverdächtigen Quasar wächst um eine Sonnenmasse pro Tag und ist damit bis heute das am schnellsten wachsende Schwarze Loch.
Die Schwarzen Löcher, die Quasare antreiben, sammeln Materie aus ihrer Umgebung in einem Prozess ein, der so energiereich ist, dass dabei gewaltige Mengen an Licht ausgesendet werden. Das geht so weit, dass Quasare zu den hellsten Objekten an unserem Himmel gehören, selbst weit entfernte Quasare sind also von der Erde aus sichtbar. In der Regel weisen die leuchtkräftigsten Quasare auf die am schnellsten wachsenden supermassereichen Schwarzen Löcher hin.
"Wir haben das am schnellsten wachsende Schwarze Loch entdeckt, das bisher bekannt ist. Es hat eine Masse von 17 Milliarden Sonnenmassen und verzehrt etwas mehr als eine Sonnenmasse pro Tag. Damit ist es das leuchtstärkste Objekt im bekannten Universum", erläutert Christian Wolf, Astronom an der Australian National University (ANU) und Erstautor der heute in Nature Astronomy veröffentlichten Studie. Der Quasar mit der Bezeichnung J0529-4351 ist so weit von der Erde entfernt, dass sein Licht über 12 Milliarden Jahre brauchte, um uns zu erreichen.
Die Materie, die in Form einer Scheibe zu diesem Schwarzen Loch gezogen wird, strahlt so viel Energie ab, dass J0529-4351 über 500 Billionen Mal heller leuchtet als die Sonne [1]. "All dieses Licht kommt von einer heißen Akkretionsscheibe mit einem Durchmesser von sieben Lichtjahren - das muss die größte Akkretionsscheibe im Universum sein", ergänzt Samuel Lai, Doktorand an der ANU und Ko-Autor. Sieben Lichtjahre sind etwa das 15.000-fache der Entfernung von der Sonne zur Umlaufbahn des Neptun.
Bemerkenswerterweise war dieser rekordverdächtige Quasar eigentlich unübersehbar. "Es ist seltsam, dass er bis heute unerkannt geblieben ist, wo wir doch bereits eine Million weniger beeindruckender Quasare kennen. Er hat uns bis jetzt buchstäblich ins Gesicht gestarrt", bemerkt Ko-Autor Christopher Onken, Astronom an der ANU, und ergänzt hinzu, dass dieses Objekt bereits 1980 auf Bildern des Schmidt Southern Sky Survey der ESO auftauchte, aber erst Jahrzehnte später als Quasar erkannt wurde.
Das Aufspüren von Quasaren erfordert präzise Beobachtungsdaten von großen Bereichen des Himmels. Die daraus resultierenden Datensätze sind so groß, dass Forscher*innen häufig auf maschinellem Lernen basierte Modelle verwenden, um sie zu analysieren und Quasare von anderen Himmelsobjekten zu unterscheiden. Diese Modelle werden jedoch auf der Grundlage bereits vorhandener Daten trainiert, was die Zahl der potenziellen Kandidaten auf ähnliche Objekte wie die bereits bekannten beschränkt. Wenn ein neuer Quasar heller leuchtet als alle anderen bisher beobachteten, könnte das Programm ihn ablehnen und stattdessen als einen Stern klassifizieren, der nicht allzu weit von der Erde entfernt ist.
Eine automatische Analyse der Daten des Gaia-Satelliten der Europäischen Weltraumagentur ESA hat J0529-4351 als zu hell für einen Quasar eingestuft und ihn stattdessen für einen Stern gehalten. Die Wissenschaftler*innen identifizierten ihn schließlich letztes Jahr mit Hilfe von Beobachtungen des 2,3-Meter-Teleskops der ANU am Siding Spring Observatory in Australien als fernen Quasar. Um herauszufinden, dass es sich um den leuchtstärksten Quasar handelt, der jemals beobachtet wurde, waren jedoch ein größeres Teleskop und Messungen mit einem präziseren Instrument erforderlich. Der X-Shooter-Spektrograf am VLT der ESO in der chilenischen Atacamawüste lieferte die entscheidenden Daten.
Das am schnellsten wachsende Schwarze Loch, das jemals beobachtet wurde, ist auch ein perfektes Ziel für das GRAVITY+-Upgrade am VLT-Interferometer (VLTI) der ESO, das die Masse von Schwarzen Löchern genau messen soll, auch von solchen, die weit von der Erde entfernt sind. Darüber hinaus wird das Extremely Large Telescope (ELT) der ESO, ein 39-Meter-Teleskop, das derzeit in der chilenischen Atacama-Wüste errichtet wird, die Identifizierung und Charakterisierung solcher schwer fassbaren Objekte noch einfacher machen.
Die Entdeckung und Untersuchung entfernter supermassereicher schwarzer Löcher könnte Licht in einige der Geheimnisse des frühen Universums bringen, z. B. wie sie und ihre Wirtsgalaxien entstanden sind und sich entwickelt haben. Aber das ist nicht der einzige Grund, warum Wolf nach ihnen sucht. "Ich persönlich mag einfach die Jagd", bekennt er. "Für ein paar Minuten am Tag fühle ich mich wieder wie ein Kind, das Schatzsuche spielt, aber diesmal bringe ich alles mit, was ich seitdem gelernt habe."
Endnoten
[1] Vor einigen Jahren berichteten die NASA und die Europäische Weltraumagentur ESA über die Entdeckung des Quasars J043947.08+163415.7 mit 600 Billionen Sonnenleuchtkräften durch das Hubble-Weltraumteleskop. Die Helligkeit dieses Quasars wurde jedoch durch eine Gravitationslinse verstärkt, eine Galaxie, die sich zwischen uns und dem entfernten Quasar befindet. Die tatsächliche Helligkeit von J043947.08+163415.7 wird auf etwa 11 Billionen Sonnenleuchtkräfte geschätzt (1 Billion ist eine Million Millionen: 1.000.000.000.000 oder 1012).
Weitere Informationen
Die hier vorgestellten Forschungsergebnisse erscheinen demnächst unter dem Titel “The accretion of a solar mass per day by a 17-billion solar mass black hole” in der Fachzeitschrift Nature Astronomy (doi:10.1038/s41550-024-02195-x).
Die beteiligten Wissenschaftler*innen sind Christian Wolf (Research School of Astronomy and Astrophysics, Australian National University, Australien [ANU] und Centre for Gravitational Astrophysics, Australian National University [CGA]), Samuel Lai (ANU), Christopher A. Onken (ANU), Neelesh Amrutha (ANU), Fuyan Bian (Europäische Südsternwarte, Chile), Wei Jeat Hon (School of Physics, University of Melbourne, Australia [Melbourne]), Patrick Tisserand (Sorbonne Universités, CNRS, UMR 7095, Institut d’Astrophysique de Paris, Frankreich) und Rachel L. Webster (Melbourne).
Die Europäische Südsternwarte (ESO) befähigt Wissenschaftler*innen weltweit, die Geheimnisse des Universums zum Nutzen aller zu entdecken. Wir entwerfen, bauen und betreiben Observatorien von Weltrang, die Astronominnen und Astronomen nutzen, um spannende Fragen zu beantworten und die Faszination der Astronomie zu wecken, und wir fördern die internationale Zusammenarbeit in der Astronomie. Die ESO wurde 1962 als zwischenstaatliche Organisation gegründet und wird heute von 16 Mitgliedstaaten (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Finnland, Irland, Italien, den Niederlanden, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, der Schweiz, Spanien, der Tschechischen Republik und dem Vereinigten Königreich) sowie dem Gastland Chile und Australien als strategischem Partner unterstützt. Der Hauptsitz der ESO und ihr Besucherzentrum und Planetarium, die ESO Supernova, befinden sich in der Nähe von München in Deutschland, während die chilenische Atacama-Wüste, ein wunderbarer Ort mit einzigartigen Bedingungen für die Himmelsbeobachtung, unsere Teleskope beherbergt. Die ESO betreibt drei Beobachtungsstandorte: La Silla, Paranal und Chajnantor. Am Standort Paranal betreibt die ESO das Very Large Telescope und das dazugehörige Very Large Telescope Interferometer sowie Durchmusterungsteleskope wie z. B. VISTA. Ebenfalls am Paranal wird die ESO das Cherenkov Telescope Array South betreiben, das größte und empfindlichste Gammastrahlen-Observatorium der Welt. Zusammen mit internationalen Partnern betreibt die ESO auf Chajnantor APEX und ALMA, zwei Einrichtungen zur Beobachtung des Himmels im Millimeter- und Submillimeterbereich. Auf dem Cerro Armazones in der Nähe von Paranal bauen wir „das größte Auge der Welt am Himmel“ – das Extremely Large Telescope der ESO. Von unseren Büros in Santiago, Chile, aus unterstützen wir unsere Aktivitäten im Land und arbeiten mit chilenischen Partnern und der Gesellschaft zusammen.
Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsländern (und einigen weiteren Staaten) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.
Links
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Mobil: +61(0)415330371
E-Mail: christian.wolf@anu.edu.au
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Australian National University
Canberra, Australia
Mobil: +61 (0) 493418898
E-Mail: samuel.lai@anu.edu.au
Christopher Onken
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Canberra, Australia
Tel: +61(0) 26125 8039
E-Mail: christopher.onken@anu.edu.au
Rachel L. Webster (study co-author)
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Melbourne, Australia
Mobil: +61(0) 425863209
E-Mail: r.webster@unimelb.edu.au
Bárbara Ferreira
ESO Media Manager
Garching bei München, Germany
Tel: +49 89 3200 6670
Mobil: +49 151 241 664 00
E-Mail: press@eso.org
Joerg Gasser (Pressekontakt Schweiz)
ESO Science Outreach Network
E-Mail: eson-switzerland@eso.org
Über die Pressemitteilung
Pressemitteilung Nr.: | eso2402de-ch |
Name: | J0529-4351 |
Typ: | Early Universe : Galaxy : Activity : AGN : Quasar |
Facility: | Very Large Telescope |
Instruments: | X-shooter |
Science data: | 2024NatAs...8..520W |
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