Mitteilung
Universeller Kontext für ESO-Bilder
Astronomische Metadaten verbessern den Zugang zu Himmelsaufnahmen
9. März 2012
Die Europäische Südsternwarte hat begonnen, die Aufnahmen in ihrem riesigen Archiv mit weiterführenden Kontextinformationen oder Metadaten zu versehen. Der nun implementierte Astronomy Visualization Metadata Standard wurde zusammen mit anderen großen Observatorien entwickelt. Unter den Partnerinstitutionen sind die NASA, die ESA, die California Academy of Sciences und die University of Arizona.
Es ist nun einfacher als je zu vor, etwas über die fantastischen Bilder des Universums zu erfahren, die sich in Archiven wie dem der ESO befinden. Der Astronomy Visualization Metadata Standard (AVM) wurde entwickelt, um den Zugang zu astronomischen Aufnahmen zu vereinfachen, indem Zusatzinformationen in einem einheitlichen Format gesammelt werden [1]. Diese Zusatzinformationen – die sogenannten Metadaten – beinhalten Informationen ganz ähnlich denen, die mit Bildern herkömmlicher Digitalkameras verknüpft sind, beispielsweise also den Autor des Bildes, das Aufnahmedatum oder auch das aufgenommene Himmelsgebiet. Das neue Format ist jedoch speziell auf für die Öffentlichkeit aufbereitete Bilder zugeschnitten [2]. Es erleichtert das Auffinden und die Einordnung solcher Aufnahmen beträchtlich. Die ESO hat die Entwicklung dieses neuartigen Hilfsmittels unterstützt und an der Implementation des Standards für alle ESO-Aufnahmen gearbeitet. Dieses Engagement findet heute mit dem öffentlichen Start des neuen Formats seinen vorläufigen Höhepunkt.
“Dadurch dass wir unsere Bilder mit Metadaten versehen, können wir Himmelsaufnahmen nun mittels einer gemeinsamen, universellen ‘Sprache’ beschreiben, so dass sie für jeden leichter zugänglich sind”, erklärt Lars Holm Nielsen, Koordinator für hochentwickelte Projekte bei der ESO, der die Implementation des neuen Standards bei ESO koordiniert hat.
Die AVM-Tags, die teilweise auf den für wissenschaftliche Daten verwendeten Standards basieren, wurden speziell auf die Bedürfnisse und Interessen der allgemeinen Öffentlichkeit und der Wissenschaftskommunikation zugeschnitten. So können zum Beispiel Koordinaten-Daten (über das World Coordinate System WCS) verwendet werden, um die Position, die Orientierung und den Abbildungsmaßstab eines Bildes zu beschreiben. Dies ermöglicht eine einfache Verwendung der Aufnahmen für virtuelle Himmelsatlanten und verwandte Anwendungen bei denen Koordinaten eine zentrale Rolle spielen. Die Bilder haben nun ebenfalls Links zu Microsoft WorldWide Telescope. Auch ist es jetzt möglich, beispielsweise alle mit dem MPG/ESO 2,2-Meter Teleskop aufgenommenen Bilder mit einem einzigen Klick anzuzeigen, oder aber Aufnahmen des Teleskops in einer Übersicht zu sehen. Genauso wenig Aufwand ist es, sich sämtliche Pressemeldungen die Resultate des Very Large Telescope enthalten in einer Liste anzeigen zu lassen.
Sozusagen “unter der Motorhaube” der ESO-Bildergalerie läuft ebenfalls das AVM-Tagging, so dass der größte Teil der auf der Website angezeigten Informationen gleichzeitig in den höchstaufgelösten Bildern selbst eingebettet ist. Diese Art der nahtlosen Integration ermöglicht die einfache Weitergabe und die Verwendung der Informationen durch andere Anwendungen.
In der Tat nutzen viele Anwendungen bereits jetzt die Metadaten. So wie die NASA-Datenbank AstroPix, ein Projekt für die Wissenschaftskommunikation, zu dem auch ESO Beiträge leistet. Das AstroPix-Programm, das sich momentan in der Betaphase befindet, ermöglicht den Zugang zu den Bildarchiven vieler führender Observatorien mit einem einheitlichen Benutzerinterface. Beteiligte Observatorien und Teleskope sind zum Beispiel das Spitzer Space Telescope, das Chandra-Röntgenobservatorium, das Hubble Space Telescope von ESA und NASA, Galex, WISE und die ESO. Die Tags werden unter anderem verwendet, um die Objektarten, die Bildunterschriften, die Instrumente mit denen die Bilder aufgenommen wurden, und die Position des Bildfeldes am Himmel zu beschreiben.
“Die ESO besitzt eine der größten und beeindruckendsten Sammlungen von astronomischen Aufnahmen. Durch die AVM-Tags können diese Bilder nun effizient durchsucht und auf intuitive Weise mit AstroPix betrachtet werden”, fügt Robert Hurt, der Leiter der Projekte AVM und AstroPix, hinzu. “Das ist wirklich ein großer Fortschritt.”
Weitere Anwendungen, die den AVM-Standard verwenden und die so von den neu getaggten ESO-Bildern profitieren, sind zum Beispiel Microsoft WorldWide Telescope, Stellarium und Google Sky. Auch Hersteller von Planetariumssoftware wie zum Beispiel Skyskan, Uniview/SCISS und Evans & Sutherland werden AVM in zukünftigen Versionen ihrer Programme unterstützen.
“Das ist ein großer Schritt nach vorne für alle an der Wissenschaftskommunikation interessierten Astronomen. Die große Verbreitung des Formats auch bei unseren Partnern bedeutet, dass wir in Zukunft die fantastischen Bilder der vielen aktiven ESO Teleskope noch viel besser mit der Öffentlichkeit teilen können. Wir danken allen Beteiligten für ihr Engagement", fügt Lars Lindberg Christensen hinzu, der Leiter der ESO-Öffentlichkeitsarbeit und einer der Initiatoren des Projekts [3].
Endnoten
[1] Metadaten – also zusätzliche Informationen über einen Datensatz – beschreiben mittels sogenannter Tags den Inhalt und den Kontext von Dateien. Das Verfahren wird zum Beispiel genutzt, um mittels speziell auf die Bedürfnisse des jeweiligen Anwendungsgebietes zugeschnittener Standards digitale Bilder zu beschreiben.
[2] AVM wurde im Rahmen des Virtual Astronomy Multimedia Project (VAMP) entwickelt. Es wird auch für künstlerische Darstellungen, Diagramme, Simulationen und Fotografien verwendet, und ist der erste Schritt auf dem Weg zu einem zukünftigen Projekt, das dann sämtliche Multimedia-Produkte mit Astronomiebezug, also z.B. auch Videos und Podcasts, einschließen soll. VAMP ist ein kollaboratives Projekt, dessen Mitglieder Vertreter des Spitzer Science Center, von ESA/Hubble, der California Academy of Sciences, des IPAC/IRSA, und der University of Arizona sind. Funktionsträger an großen Observatorien und Anwendungsentwickler unterstützen das Projekt ebenfalls.
[3] Die ESO dankt allen Beteiligten, ohne deren außergewöhnliche Unterstützung dieser Schritt nicht möglich gewesen wäre. Unter ihnen sind Lars Holm Nielsen, Robert Hurt, Adrienne Gauthier, Amit Kapadia, Sarah Roberts und viele weitere. Lars Holm Nielsen, der mit dem Start der Tags eine großartige Karriere bei ESO beschließt, ist Experte für die Entwicklung von Informationssystemen und Software für die Wissenschaftskommunikation. Seine lebenslange Begeisterung für die Astronomie lebte er seit 2002 als Mitglied des ESO/Hubble-Öffentlichkeitsarbeitsteams. Er war verantwortlich für die Implementation sowohl komplexer Projekte, als auch der Web-Infrastruktur der ESO Öffentlichkeitsarbeit. In dieser Funktion spielte er eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung des AVM-Systems.
Weitere Informationen
Im Jahr 2012 feiert die Europäische Südsternwarte ESO (European Southern Observatory) das 50-jährige Jubiläum ihrer Gründung. Die ESO ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch ihre 15 Mitgliedsländer: Belgien, Brasilien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz, die Tschechische Republik und das Vereinigte Königreich. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO betreibt drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Nordchile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf dem Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts und zwei Teleskope für Himmelsdurchmusterungen: VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt, arbeitet im Infraroten, während das VLT Survey Telescope (VST) für Himmelsdurchmusterungen ausschließlich im sichtbaren Licht konzipiert ist. Die ESO ist der europäische Partner für den Aufbau des Antennenfelds ALMA, das größte astronomische Projekt überhaupt. Derzeit entwickelt die ESO ein Großteleskop der 40-Meter-Klasse für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren und Infrarotlichts, das einmal das größte optische Teleskop der Welt werden wird, das European Extremely Large Telescope (E-ELT).
Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsstaaten (und einigen weiteren Ländern) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.
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