Die deutsche Beteiligung an der Europäischen Südsternwarte
Dieses Bild von NGC 4254 ist eine Kombination von Beobachtungen, die bei verschiedenen Wellenlängen durchgeführt wurden, um Sternpopulationen und warmes Gas zu kartieren. Das goldene Leuchten zeigt die Anwesenheit von neu entstandenen Sternen an. Quelle: ESO/PHANGS
Deutschland ist Gründungsmitglied der ESO. Es unterzeichnete die ESO-Konvention am 5. Oktober 1962 und wurde am 17. Januar 1964 offiziell Mitglied. Als Gründungsmitglied der ESO, Gastland des ESO-Hauptsitzes in Garching bei München und größter Beitragszahler zum ESO-Budget spielt Deutschland eine besonders starke Rolle in der Organisation und hat zu vielen ESO-Projekten entscheidend beigetragen.
Deutschland trägt derzeit 22,44 % der ESO-Einnahmen (Beitrag 2021) in Höhe von 43 091 000 EUR bei.
Mitte 2022 gab es 159 deutsche Mitarbeiter*innen bei der ESO, 137 in Deutschland und 22 in Chile. Darüber hinaus hat die ESO seit 2004 33 Studienplätze, 65 Stipendien und 14 Praktika an deutsche Staatsangehörige vergeben.
Deutschland ist in den verschiedenen Leitungs- und Beratungsgremien der ESO durch Astronom*innen und Politikexpert*innen vertreten; die aktuellen deutschen Vertreter*innen in den verschiedenen Ausschüssen der ESO mit nationaler Vertretung finden Sie hier. Die derzeitige Präsidentin des ESO-Rates, Linda Tacconi, ist eine leitende Astronomin am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching bei München.
Dem ESO Science Outreach Network (ESON) gehören deutsche Vertreter*innen an, die als lokale Ansprechpartner*innen für die Medien und die Öffentlichkeitsarbeit der ESO fungieren.
Im Folgenden finden Sie einige Informationen über die deutsche Beteiligung an der ESO.
Entdeckungen von Astronom*innen, die in Deutschland ansässig sind und ESO-Teleskope nutzen
Deutsche Forscher*innen und solche, die an deutschen Institutionen tätig sind, waren an wichtigen Entdeckungen beteiligt, die mit ESO-Einrichtungen gemacht wurden, darunter viele der 10 wichtigsten Entdeckungen der ESO. Zu diesen wichtigen oder jüngsten wissenschaftlichen Entdeckungen gehören
- Reinhard Genzel und Andrea Ghez, die gemeinsam für ihre Arbeit über das supermassereiche schwarze Loch Sagittarius A* im Zentrum unserer Galaxie mit dem Nobelpreis für Physik 2020 ausgezeichnet wurden. Genzel, Direktor am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE), und sein Team haben Sagittarius A* seit fast 30 Jahren mit einer Vielzahl von Instrumenten an ESO-Teleskopen beobachtet. Eines der wichtigsten Instrumente dabei ist GRAVITY am Very Large Telescope Interferometer (VLTI) der ESO, das von einem Konsortium unter Leitung des MPE entwickelt wurde
- die PHANGS-Kollaboration, die von Eva Schinnerer vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) geleitet wird. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, nahe gelegene Galaxien mit mehreren Teleskopen zu vermessen, darunter das Very Large Telescope (VLT) der ESO und ALMA. Kürzlich hat die Zusammenarbeit erstaunliche Beobachtungen des galaktischen Feuerwerks hervorgebracht, bei denen die Kreißsäle von Sternen abgebildet wurden
- Eduardo Bañados vom MPIA in Deutschland, der zusammen mit Chiara Mazzucchelli, Fellow bei der ESO in Chile und ehemalige Doktorandin am MPIA, eine Studie geleitet hat, die den am weitesten entfernten Quasar mit starken Radiojets nachgewiesen hat. Diese Entdeckung, die mit mehreren Teleskopen, darunter dem VLT der ESO, gemacht wurde, könnte wichtige Hinweise liefern, die Astronom*innen helfen, das frühe Universum zu verstehen
- die Entdeckung des am weitesten entfernten milchstraßenähnlichen Quasars durch Francesca Rizzo, Doktorandin am Max-Planck-Institut für Astrophysik, und ihr Team mit ALMA. „Dieses Ergebnis stellt einen Durchbruch auf dem Gebiet der Galaxienentstehung dar und zeigt, dass die Strukturen, die wir in nahen Spiralgalaxien und in unserer Milchstraße beobachten, bereits vor 12 Milliarden Jahren existierten“, so Rizzo in der Pressemitteilung der ESO
Deutsche Beteiligung an ESO-Instrumenten und Teleskopen an ESO-Standorten
Viele der Instrumente für die Teleskope in den ESO-Einrichtungen wurden von Konsortien unter der Leitung deutscher Institutionen gebaut. Auch bei einigen der Teleskope in den ESO-Observatorien spielte und spielt Deutschland eine Schlüsselrolle. Dazu gehören
- das Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR), Partner bei APEX und an der Entwicklung vieler seiner Instrumente beteiligt
- die deutschen Institute, die maßgeblich an der Entwicklung der Instrumente für das Very Large Telescope Interferometer der ESO beteiligt waren, darunter GRAVITY (MPE, MPIA, Universität zu Köln), MATISSE (MPIA, MPIfR, Universität Kiel) und MIDI (MPIA, Kiepenheuer-Institut, Thüringer Landessternwarte Tautenburg). Das MPE leitet auch das Konsortium für GRAVITY+, ein Upgrade von GRAVITY
- der Focal Reducer and Spectrograph (FORS 1 und FORS2) am VLT, eines der meistgenutzten Instrumente der ESO, der von der Landessternwarte Heidelberg, der Universität Göttingen und Sternwarten in München gebaut wurde
- weitere VLT-Instrumente mit maßgeblicher deutscher Beteiligung, darunter ERIS (das MPE leitet das Konsortium), CRIRES (Georg-August Universität Göttingen, Thüringer Landessternwarte Tautenburg), KMOS (Universitäts-Sternwarte München, MPE), MUSE (Astrophysikalisches Institut Göttingen; Astrophysikalisches Institut Potsdam), NACO (MPE, MPIA) und SINFONI (MPE)
- das ESO/MPG 2,2-Meter-Teleskop am La Silla-Observatorium der ESO, das ursprünglich vom MPIA gebaut und später der ESO im Rahmen eines Abkommens in Betrieb genommen wurde, bei dem die ESO die Installation des Teleskops übernahm und den anschließenden Betrieb verwaltete. Deutsche Einrichtungen sind Teil der Konsortien, die Instrumente für dieses Teleskop entwickelt haben
- mehrere deutsche Institute, die an der Entwicklung von 4MOST am VISTA-Teleskop beteiligt sind. Das Konsortium wird vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam geleitet
- Teilnahme am künftigen CTA ERIC, des European Research Infrastructure Consortium, das das Cherenkov Telescope Array (CTA) bauen und betreiben wird. Das CTA wird ein bodengebundenes Observatorium für die Gammastrahlenastronomie mit sehr hoher Energie sein. Es wird aus zwei Teleskop-Anlagen bestehen, einer Anlage auf der Südhalbkugel am Paranal-Observatorium der ESO und einer Anlage im Norden auf der Kanareninsel La Palma in Spanien. Die ESO wird auch Mitglied des CTA ERIC sein und ist im Rat des CTA vertreten.
Deutsche Beteiligung an ELT-Instrumenten
Deutschland ist an der Entwicklung vieler Instrumente für das kommende Extremely Large Telescope (ELT) der ESO beteiligt, nämlich
- MICADO, das von einem Konsortium unter Leitung des MPE entwickelt wird. Das Instrument wird hochauflösende Bilder im nahen Infrarotbereich aufnehmen, Exoplaneten identifizieren und das geheimnisvolle Zentrum der Milchstraße untersuchen. Das MPIA, die Universitätssternwarte München und das Institut für Astrophysik in Göttingen sind ebenfalls Teil des Konsortiums
- ANDES (früher bekannt als HIRES), ein hochauflösender Spektrograph mit dem wissenschaftlichen Hauptziel der Charakterisierung exoplanetarer Atmosphären. Deutschland ist durch das Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam, das Institut für Astrophysik der Universität Göttingen, das Zentrum für Astronomie Heidelberg, die Landessternwarte, die Thüringer Landessternwarte Tautenburg und die Hamburger Sternwarte der Universität Hamburg an dem Konsortium beteiligt
- METIS, ein Mid-infrared Imager and Spectrograph, mit dem wissenschaftlichen Hauptziel der Charakterisierung von planetenbildenden Scheiben und Exoplaneten. Das MPIA ist Teil des Konsortiums
- MOSAIC, ein Multi-Objekt-Spektrograf, der viele Objekte gleichzeitig untersuchen kann, mit dem wissenschaftlichen Hauptziel, die ältesten Galaxien zu studieren. Das Leibniz-Institut für Astrophysik in Potsdam und die Landessternwarte Heidelberg sind Teil des Konsortiums
Deutsche Industrie und Technologiebeiträge für die ESO
Deutsche Unternehmen waren im Laufe der Jahre wichtige Partner der ESO. Die deutsche Industrie leistete und leistet nach wie vor bedeutende Beiträge zu den Projekten der ESO. Einige der wertvollsten Verträge, die an deutsche Unternehmen für die Technologieentwicklung vergeben wurden, sind
- die Toptica Photonics AG, die wichtige Aufträge im Zusammenhang mit der Herstellung des Lasers für die 4 Laser Guide Star Facility am VLT erhielt
- die Entwicklung des 23-kV-Stromversorgungssystems am ALMA-Standort durch ein Konsortium, an dem deutsche Unternehmen beteiligt sind
- die Scheuerle Fahrzeugfabrik GmbH, die die ALMA-Transporter baut
- LOGWIN Air + Ocean, die mehrere Aufträge im Zusammenhang mit dem Betrieb von ALMA, allgemeinen Aktivitäten und dem Paranal-Instrumentierungsprogramm erhielt
Die Verträge der ESO mit der deutschen Industrie umfassen auch Ausgaben im Zusammenhang mit dem Hauptsitz der ESO. Ein wichtiges Beispiel ist die Errichtung des Erweiterungsbaus des Hauptsitzes der ESO (BAM Deutschland AG, weitere Aufträge im Zusammenhang mit dem Erweiterungsbau wurden an Auer+Weber+Assoziierte GmbH vergeben), der 2012 eingeweiht wurde. Weitere Beispiele sind Verträge über erneuerbare Energien und Stromversorgung (Stadtwerke Augsburg Energie GmbH) sowie Heizung, Kühlung, Lüftung und Klimatisierung (Energie-Wende-Garching GmbH & Co. KG). Die ESO hat auch mehrere Verträge für IT-Dienstleistungen mit Terma GmbH, Comarch Software und Berating AG und amball business-software (unter anderem) abgeschlossen.
Beiträge der deutschen Industrie zum ELT
Deutsche Unternehmen sind wichtige industrielle Partner für das kommende Extremely Large Telescope der ESO. Einige der wichtigsten Verträge, die an die deutsche Industrie vergeben wurden:
- mit der SCHOTT AG für die Produktion von ELT-Spiegelrohlingen (mehrere Verträge). SCHOTT hat auch Spiegelrohlinge für das VLT hergestellt
- mehrere Verträge mit FAMES EWIV für die Lieferung von Kantensensoren für die Segmente des ELT-Primärspiegels
- Physik Instrumente (PI) GmbH & Co.KG produziert Positionsaktuatoren für die Segmente des ELT-Primärspiegels
- Hexagon Metrology GmbH erhält einen Auftrag zur Herstellung von Lasertrackern für den ELT