Pressemitteilung
Das MATISSE-Instrument sieht sein erstes Licht am Very Large Telescope Interferometer der ESO
Das leistungsfähigste interferometrische Instrument für den mittleren Infrarotbereich überhaupt
5. März 2018
Das neue MATISSE-Instrument hat nun seine ersten Beobachtungen am Very Large Telescope Interferometer (VLTI) am Paranal-Observatorium der ESO im Norden Chiles erfolgreich durchgeführt. MATISSE ist das leistungsfähigste interferometrische Instrument der Welt im mittleren Infrarot. Es wird junge Sterne, um die sich Planeten bilden, und die Umgebung supermassereicher Schwarzer Löcher in den Zentren von Galaxien mit hochauflösender Bildgebung und spektroskopisch untersuchen. Die ersten MATISSE-Beobachtungen mit den VLTI-Hilfsteleskopen hatten einige der hellsten Sterne am Nachthimmel zum Ziel, darunter Sirius, Rigel und Beteigeuze. Sie konnten demonstrieren, dass das Instrument gut funktioniert. Mehrere deutsche Forschungsinstitute waren an der Entwicklung beteiligt.
MATISSE, das Multi AperTure mid-Infrarot SpectroScopic Experiment, beobachtet infrarotes Licht – Licht zwischen dem sichtbaren Bereich des elektromagnetischen Spektrums und den Mikrowellenwellen – und deckt damit Wellenlängen von 3-13 Mikrometer (µm) ab [1]. MATISSE ist ein spektrointerferometrisches Instrument der zweiten Generation für das Very Large Telescope der ESO. Es kann mehrere Teleskope gleichzeitig nutzen, sein Funktionsprinzip basiert auf der Wellennatur des Lichts. Auf diese Weise entstehen detailliertere Bilder von Himmelsobjekten, als sie mit jedem existierenden oder geplanten Einzelteleskop bei diesen Wellenlängen erzielt werden können.
Nach 12 Jahren Entwicklungszeit durch eine große Anzahl von Astronomen und Ingenieuren in Deutschland, Frankreich, Österreich, den Niederlanden und bei der ESO sowie nach einer langen Zeit anspruchsvoller Arbeiten bei der Installation und Erprobung dieses sehr komplexen Instruments haben erste Beobachtungen nun bestätigen können, dass MATISSE wie erwartet funktioniert [2].
Die ersten MATISSE-Beobachtungen des roten Überriesen Beteigeuze, der in einigen hunderttausend Jahren als Supernova explodieren wird, zeigen, dass dieser Stern noch Überraschungen zu bieten hat [3]. Es gibt Hinweise darauf, dass er bei verschiedenen Wellenlängen eine jeweils andere Größe zu haben scheint. Die Daten werden es den Astronomen ermöglichen, die Umgebung des riesigen Sterns weiter zu erforschen und zu untersuchen, wie er Materie an seine Umgebung abgibt.
Bruno Lopez vom Observatoire de la Côte d'Azur (OCA) im französischen Nizza, der Projektleiter von MATISSE, erklärt die einzigartige Stärke des Instruments: "Einzelne Teleskope können eine Bildschärfe erreichen, die durch die Größe ihrer Spiegel begrenzt ist. Um eine noch höhere Auflösung zu erreichen, kombinieren wir das Licht von vier verschiedenen VLT-Teleskopen – wir lassen .es interferieren Auf diese Weise liefert MATISSE die schärfsten Bilder aller Teleskope im Wellenlängenbereich von 3-13 μm, wo sie in Zukunft auch die Beobachtungen des James Webb Space Telescope aus dem Weltraum ergänzen werden."
MATISSE wird zu mehreren grundlegenden Forschungsgebieten in der Astronomie beitragen und sich insbesondere auf die inneren Regionen von Scheiben um junge Sterne, in denen sich Planeten bilden, die Untersuchung von Sternen in verschiedenen Stadien ihres Lebens und die Umgebung supermassereicher Schwarzer Löcher in den Zentren von Galaxien konzentrieren.
Thomas Henning, Direktor des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) in Heidelberg und Ko-Projektleiter von MATISSE, kommentiert: "Indem wir mit MATISSE die inneren Regionen der protoplanetaren Scheiben beobachten, hoffen wir, den Ursprung der verschiedenen Mineralien zu erfahren, die in diesen Scheiben enthalten sind - Mineralien, die später die festen Kerne von Planeten wie der Erde bilden werden."
Walter Jaffe, Projektwissenschaftler und Ko-Projektleiter an der Universität Leiden in den Niederlanden, und Gerd Weigelt, ebenfalls Ko-Projektleiter am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn, ergänzen: "MATISSE wird uns eindrucksvolle Bilder von Regionen liefern, in denen Planeten entstehen, von Mehrfachsternsystemen und, wenn wir mit den VLT-Hauptteleskopen arbeiten, auch von Staubscheiben liefern, die supermassereiche Schwarze Löcher speisen. Wir hoffen, auch Details von exotischen Objekten in unserem Sonnensystem, wie Vulkane auf Io, oder die Atmosphäre von gasförmigen Exoplaneten beobachten zu können."
MATISSE ist ein Vier-Wege-Strahlkombiniererr, es vereint also das Licht, das von bis zu vier der 8,2-Meter-VLT-Hauptteleskope engl. Unit Telescopes, kurz UTs) oder bis zu vier der VLT-Hilfsteleskope (engl. Auxiliary Telescopes, kurz ATs) gesammelt wird, die das VLTI bilden, und führt sowohl spektroskopische als auch bildgebende Beobachtungen durch. MATISSE und das VLTI verfügen dabei gemeinsam über die Abbildungsleistung eines Teleskops mit einem Durchmesser von bis zu 200 Metern, das in der Lage ist, die detailliertesten Bilder zu erzeugen, die jemals bei mittleren Infrarot-Wellenlängen erzeugt wurden.
Erste Tests wurden mit den Hilfsteleskopen durchgeführt, weitere Beobachtungen mit den vier VLT-Hauptteleskopen sind für die nächsten Monate geplant.
MATISSE überlagert das Licht eines astronomischen Objektes aus dem kombinierten Licht mehrerer Teleskope, so dass ein Interferenzmuster entsteht, das Informationen über das Aussehen des Objektes enthält, aus dem dann wiederum ein Bild rekonstruiert werden kann.
Das erste Licht von MATISSE markiert einen großen Schritt nach vorn im Bereich der aktuellen optischen und nahinfraroten Interferometrie und wird es Astronomen ermöglichen, interferometrische Bilder mit feineren Details über einen breiteren Wellenlängenbereich als derzeit möglich zu erhalten. MATISSE wird auch die Instrumente ergänzen, die für das kommende Extremely Large Telescope (ELT) der ESO geplant sind, insbesondere METIS, der Mid-infrared ELT Imager and Spectrograph. MATISSE beobachtet hellere Objekte als METIS, jedoch mit höherer räumlicher Auflösung.
Andreas Glindemann, MATISSE-Projektmanager bei der ESO, fasst zusammen: "Die Realisierung von MATISSE hat viele Menschen über viele Jahre hinweg beschäftigt, und es ist wunderbar zu sehen, wie gut das Instrument funktioniert. Wir freuen uns auf die spannende Wissenschaft, die noch kommen wird!"
Endnoten
[1] MATISSE wurde von einem Konsortium aus Instituten in Frankreich (INSU-CNRS in Paris und OCA in Nizza, die das PI-Team beherbergen), Deutschland (MPIA, MPIfR und Universität Kiel), den Niederlanden (NOVA und Universität Leiden) und Österreich (Universität Wien) in enger Zusammenarbeit mit der ESO entworfen, finanziert und gebaut. Auch das Konkoly-Observatorium und die Universität Köln haben bei der Herstellung des Instruments Unterstützung geleistet.
[2] Mit MATISSE ist der letzte Vertreter der zweiten Generation von VLT/VLTI-Instrumenten am Paranal eingetroffen. Für das VLTI bedeutet dies, dass 17 Jahre – fast auf den Tag genau – nach dem Erhalt der ersten Beugungsmuster mit VINCI und zwei Siderostaten die erste Instrumentengeneration durch PIONIER, GRAVITY und MATISSE ersetzt wurde, die alle vier Teleskope (UTs oder ATs) kombinieren und zusammen einen weiten Bereich von Infrarot-Wellenlängen (von 1,6-13 µm) abdecken. Mit MATISSE können erstmals interferometrisch Bilder im mittleren Infrarot rekonstruiert werden.
[3] Beteigeuze war der erste Stern, der 1920 durch Interferometrie von Michelson und Pease aufgelöst wurde. Es wurde auch als heller Testfall von Vorläufer-Interferometern im mittleren Infrarotbereich verwendet - einschließlich MIDI am VLTI.
Weitere Informationen
Die Europäische Südsternwarte (engl. European Southern Observatory, kurz ESO) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch 16 Länder: Belgien, Brasilien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, die Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz und die Tschechische Republik. Hinzu kommen das Gastland Chile und Australien als strategischer Partner. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO verfügt über drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Chile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf dem Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts und zwei Teleskope für Himmelsdurchmusterungen: VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt, arbeitet im Infraroten, während das VLT Survey Telescope (VST) für Himmelsdurchmusterungen ausschließlich im sichtbaren Licht konzipiert ist. Die ESO ist außerdem einer der Hauptpartner bei zwei Projekten auf Chajnantor, APEX und ALMA, dem größten astronomischen Projekt überhaupt. Auf dem Cerro Armazones unweit des Paranal errichtet die ESO zur Zeit das Extremely Large Telescope (ELT) mit 39 Metern Durchmesser, das einmal das größte optische Teleskop der Welt werden wird.
Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsländern (und einigen weiteren Staaten) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.
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Über die Pressemitteilung
Pressemitteilung Nr.: | eso1808de-be |
Name: | MATISSE |
Typ: | Unspecified : Technology : Observatory : Instrument |
Facility: | Very Large Telescope Interferometer |
Instruments: | MATISSE |