Mitteilung
Die ESO vergibt den Auftrag für die Designstudie zum adaptiven Spiegel des E-ELT
22. Mai 2012
Die ESO hat mit der Vergabe einer vorläufigen Designstudie zum vierten adaptiven Spiegel (M4) an das Konsortium AdOptica, das aus den Firmen ADS International (Italien) und Microgate (Italien) gebildet wird, einen weiteren Schritt zur Konstruktion des European Extremly Large Telescope (E-ELT) vollzogen [1]. Dieser Spiegel wird ein wichtiger Meilenstein in der Technologie zur adaptiven Optik und der größte jemals gebaute adaptive Spiegel für ein Teleskop werden. Er wird für das beispiellose Leistungsvermögen des E-ELTs ausschlaggebend sein, die den Astronomen wichtige wissenschaftliche Durchbrüche während der nächsten Jahrzehnte ermöglichen wird.
Der M4-Spiegel ist Teil des adaptiven Optiksystems des E-ELTs, das für die Korrektur der zwei bildverschmierenden Effekte von Turbulenzen in der Atmosphäre und der Windbelastung auf die Teleskopstruktur verantwortlich ist. Nach der Installation des außergewöhnlichen deformierbaren Spiegels wird das E-ELT in seinen Beobachtungen die theoretisch mögliche Auflösungsgrenze erreichen [2].
Der flache M4-Spiegel wird bei nur 2 Millimeter Dicke einen Durchmesser von ungefähr 2,5 Meter besitzen, wodurch er wie ein flexibler Film deformiert. Mehr als fünftausend Schwingspulenaktuatoren [3] werden bis zu eintausendmal pro Sekunde die reflektierende Oberfläche des Spiegels verformen und damit die Verzerrungen der Luftturbulenzen eliminieren. Diese Technologie wurde erfolgreich bei ähnlichen, aber kleineren dünnen und flachen Spiegelsystemen wie dem 1,1-Meter Sekundärspiegel am Very Large Telescope (VLT) der ESO angewandt (ann12015).
Die Konstruktion und der Test der M4-Einheit des E-ELTs und seines Kontrollsystems ist eine technologische Herausforderung. Der Spiegel wird mehr als die doppelte Größe des Sekundärspiegels des VLTs aufweisen – und damit der größte adaptive Spiegel überhaupt sein sowie durch die fünffache Anzahl von Aktuatoren gesteuert werden. Jeder einzelne muss mit noch nie dagewesener Präzision gesteuert werden.
Abgesehen von den außergewöhnlichen Schwierigkeiten zur Einhaltung der technischen Spezifikationen muss die M4-Einheit zuverlässig und leicht zu handhaben sein.
Dieser Spiegel ist von zentraler Bedeutung für die korrekte Justierung des Teleskops: Riesige Teleskope wie die Optik des E-ELTs müssen innerhalb einer Nacht andauernd nachjustiert werden. Die M4-Einheit – die schnellste optische Komponente des E-ELTs – ist ein kritisches Bauteil zur Korrektur von Missweisungen aller weiteren Spiegel im Teleskop.
Der Auftrag umfasst eine vorläufige Designstudie über die nächsten 18 Monate. In den darauffolgenden acht Jahren werden die am Projekt beteiligten Firmen der Herausforderung der Konstruktion und des Tests dieser hochmodernen optischen Komponente stellen, die dem E-ELT eine Bildqualität sichert wie wie sie niemals zuvor von einem Teleskop im optischen und infraroten Wellenlängenbereich erreicht wurde.
Endnoten
[1] Das Design und die Konstruktion der M4-Einheit ist ein Projekt, das insgesamt neun Jahre umfasst. In den vergangenen vier Jahren wurden zwei Aufträge vergeben, jeweils an CILAS/AMOS/Onera (Frankreich/Belgien) und an Microgate/ADS/Sagem (Italien/Frankreich) zum Bau von M4-Prototypen und zur Erstellung von soliden Festpreisangeboten für die endgültigen Produktionseinheiten.
[2] Die Auflösung einer astronomischen Aufnahme ist – in der Theorie – nur durch die Größe des Hauptspiegels eines Teleskops beschränkt, größere Spiegel produzieren bessere Beobachtungen. Die maximal mögliche Auflösung wird auch als Beugungsgrenze des Teleskops bezeichnet. Bodengebundene Teleskope erreichen üblicherweise viel geringere Auflösungen aufgrund der Verzerrungen, die durch das Durchlaufen des Lichts durch die Erdatmosphäre verursacht werden, unter Astronomen als “Seeing” bekannt. Dieser Effekt kann reduziert, aber nicht eliminiert werden indem Teleskope an Orten mit hervorragenden atmosphärischen Bedingungen wie am Paranal-Observatorium der ESO platziert werden. Um die Effekte vollständig zu beheben und damit das volle Potenzial auszuschöpfen, benötigen große Teleskope optische Systeme, um durch die Atmosphäre verursachten Verzerrungen ausgleichen zu können. Adaptive Systeme basieren auf der schnellen Verformung eines echtzeitgesteuerten Teleskopspiegels und eliminieren wirkungsvoll den Einfluss der Atmosphäre. Für ein 40-Meter Teleskop wie das E-ELT ist es entscheidend, an der theoretischen Beugungsgrenze zu arbeiten, um das volle Leistungspotenzial auszuschöpfen. Die adaptive Optik des E-ELTs wird im Vergleich zu den besten Beobachtungsbedingungen ohne adaptive Optik um den Faktor 500 bessere Aufnahmen ermöglichen.
[3] Schwingspulen-Aktuatoren sind eine spezielle Form eines elektrischen Motors, der mit extremer Präzision ein Objekt bei extrem hoher Beschleunigung bewegen kann, gleichzeitig können Ortswiederholgenauigkeiten von Millionstel von Millimetern über einen limitierten Weg erreicht werden. Der Name leitet sich aus ihrer Nutzung in Lautsprechern ab.
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